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[Ausg. 40] Seite 03. Railgun - wird eine futuristische Waffe Realität? [Amateur Reporter]


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In der Literatur, in Filmen und in Computerspielen kommen Railguns seit Langem vor. Der Spielfilm Eraser mit Arnold Schwarzenegger dreht sich um fiktive Railguns als Infanteriewaffen. Bei Tanki Online ist die Railgun ein fester Bestandsteil des Spiels und nicht mehr wegzudenken. Viele kennen eine Railgun nur aus Computerspielen oder aus Filmen, aber nicht alle wissen, wie weit die Militärs mit der technischen Entwicklung einer echten Railgun vorangeschritten sind.
 
US-Navy will in 2018 einen Zerstörer mit einer echten Railgun ausrüsten.
 
Anfang Januar diesen Jahres las ich in einer Kurznachricht, dass die US-Marine eine Railgun bereits im Jahr 2018 auf einem Schiff einsetzen will. Ende 2016 sind die ersten Bilder von den Tests einer neuen russischen elektromagnetischen Railgun erschienen; auch aus China wird über die Entwicklung von Prototypen berichtet.
Diesen Meldungen bin ich nachgegangen und habe einige wissenswerte Fakten und interessante Hintergründe zum neusten Stand des technischen Fortschritts der Railgun zusammengetragen.
 
Im Artikel "die wahre Railgun" der Ausgabe 25 der Tankizeitung hat im Oktober 2015 die Funktion und die Probleme beim Echteinsatz einer Railgun anschaulich beschrieben. Bislang waren die zwei größten Probleme einer Railgun der gigantische Energiebedarf, welcher kurzzeitig eine Leistung von mehreren Megawatt bis ca. 1 Gigawatt erforderlich macht, und der enorme Verschleiß. Die Kupferleitungen litten massiv unter den großen Erhitzungen der extremen Stromflüsse. Zusammen mit den hohen abstoßenden magnetischen Kräften auf die beiden Schienen führte dies bei den ersten Schussversuchen dazu, dass die Schienen mechanisch äußerst stark belastet wurden und nach weinigen Schüssen auseinanderbrachen. Die sichtbare Plasmawolke ist das Material von Schienen und Scheibeanker, das durch den Schleifkontakt verdampft und verschleißt. Daher war eine kampftaugliche Railgun bisher mehr Fiktion als Realität.
 
Für diese Probleme scheinen nun schneller Lösungen gefunden worden zu sein, da man noch bis 2015 davon ausging, dass die Entwicklung einer verschleißfesten Railgun weitere 5 bis 8 Jahre dauert und nach entsprechenden Tests, erst zwischen 2020 bis 2024 auf einem Schiff installiert werden kann. Inzwischen haben die US-Militärs angekündigt, dass eine Railgun bereits in 2018, also zufällig 100 Jahre nach der ersten Patentanmeldung durch den Franzosen Louis Octave Fauchon-Villeplee im Jahre 1918, auf einem Zerstörer der Zumwalt-Klasse zum Einsatz kommen soll.
 


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10 Megajoule Mittelstrecken Railgun
 

 
Wie funktioniert eine echte Railgun?
 
Bei dieser Waffe wird mit Hilfe von elektromagnetischen Feldern aus der Lorentzkraft ein Projektil entlang zweier parallel laufender Schienen massiv beschleunigt. Strom ersetzt also die sonst üblichen Treibladungen von Raketen oder sonstigen Geschossen. Die Schienen – engl. Rails – geben der Waffe auch den Namen; die deutsche Übersetzung von "Railgun" lautet "Schienengewehr" oder "Schienenkanone".
Nach dem Schuss trennen sich der Strom führende "Sabot" (= Schiebeanker oder Schiebeschuh) und die Armaturen vom Projektil, einem aerodynamisch geformten, raketenähnlichen Metalldorn. Dass kein Pulver zum Beschleunigen des Projektils nötig ist, spart Transportplatz, senkt die Kosten pro Schuss und bringt gleichzeitig erheblich mehr Sicherheit. Der Nachteil ist, dass nicht überall genügend Energie erzeugt werden kann, um eine Railgun zu betreiben.
 

Funktionsschema einer Railgun

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Die Beschleunigung der EMRG oder der elektromagnetischen Railgun ermöglicht enorm hohe Mündungsgeschwindigkeiten von mehr als 7 Mach, also mehr als die siebenfache Schallgeschwindigkeit. Die Schallgeschwindigkeit in trockener Luft von 20 °C beträgt 343,2 m/s (1236 km/h), d.h. eine Railgun erreicht Mündungsgeschwindigkeiten von rund 2.500 m/s bzw. rund 9.000 km/h und eine Energie von bis zu 64 Megajoule. Diese extrem hohe Geschwindigkeit bringt ein Vielfaches an Zerstörungskraft mit sich, da die kinetische Energie mit dem Quadrat der Geschwindigkeit wächst. Günstig ist auch, dass sich die Geräuschentwicklung auf den Überschallknall beschränkt.
 

projektilemrkbx.png

HVP Railgun-Projektile (Mitte: Abwurf der Armaturen des Führungsschlittens)

 
 
Während im Jahr 2012 noch über Reichweiten von 160 km / 100 Meilen gesprochen wurde, sollen heute die auf Mach 7 beschleunigte Railgun-Projektile in eine Höhe von ca. 150 km / 500.000 Fuß geschossen, mit Mach 5 wieder in die Erdatmosphäre eintreten und dadurch eine Reichweite von mehr als 350 Kilometern / 200 Seemeilen erreichen. Dabei werden mittels Satellitenüberwachung und Navigationssensoren die Hyper-Velocity-Projektile (HVP) oder Hochgeschwindigkeitsgeschosse äußerst präzise gesteuert. Die HVP ist ein gelenktes Projektil der nächsten Generation. Das aerodynamische Design einer HVP mit niedrigem Luftwiderstand ermöglicht sehr hohe Geschwindigkeiten, kombiniert mit Manövrierfähigkeit und verringerte Zeit bis zum Ziel. Das für die Railgun entworfene Geschoss kann auch auf konventionellen Kanonen eingesetzt werden und erlaubt dem Militär die Zündgeschwindigkeit anderer Waffen zu erhöhen.
 

Hierzu ein Video aus dem Jahr 2012

[media]https://www.youtube.com/watch?v=9jFhdPY0o8k[/media]

Railgun-Prototypen auf dem Schießstand

 

 
 
Wie hoch sind die Kosten für einen Railgun-Schuss?
 
Nicht nur von der Reichweite, sondern auch kosten technisch ist die Railgun ein Riesenvorteil. Bereits im April 2014 erklärte Rear Admiral Matt Klunder, dass eines der vorgesehenen 18-Zoll-Projektile ca. 25.000 US-Dollar kosten wird, während ein einzelner Tomahawk-Marschflugkörper je nach Version zwischen 650.000 bis 1,1 Mio. US-Dollar kosten.
 
Neue Kondensatoren, widerstandsfähigere Materialien, besserer Pulsstromspeicher und dielektrische Materialien - Materialien, die Energie in einem elektrostatischen Feld speichern und keine Elektrizität leiten - haben dazu beigetragen, dass die Railgun leistungsfähiger, effizienter, verschleißfester und damit auch kostengünstiger wird. Innerhalb von einer Minute können mehrere Rail-Schüsse kurz hintereinander abgeben werden. Leistungsstarke Pulskondensatoren werden dabei aufgeladen und können die gespeicherte Energie blitzartig abgeben. Innerhalb von 5 bis 10 Sekunden sind sie für den nächsten Schuss bereit, sodass die hohe Feuerrate von 6 bis 12 Schüsse in der Minute erreicht wird. Durch die Eliminierung von Treibgasen und explosiven Sprengköpfen wird die Nachladung vereinfacht und die Logistik reduziert.
Das Einsatzfeld von mit Railguns bestückten Zerstörern ist nicht nur die Verteidigung, sondern vorwiegend der Angriff von weit entfernt liegende feindlichen Zielen an Land - wie Artilleriestellungen - sowie von gegnerischen Schiffen auf See. Eine kleinere, mobile und landgestützte Version der Railgun soll zur Luft- und Raketenabwehr für mehrere gleichzeitig herannahende Ziele eingesetzt werden.
 
 
Auf welchem Schiff wird die erste Railgun eingesetzt?
 
Die Railgun für die Navy ist groß, schwer und erfordert viel Energie. Hierfür bieten sich Schiffe an, die ohnehin große Generatoren an Bord haben, wie etwa die Zumwalt-Klasse. Dies sind die neuesten Zerstörer der US Navy. Die Zumwalt ist knapp über 182 Meter lang, 24 Meter breit, wiegt über 16.000 Tonnen und erreicht eine Geschwindigkeit von bis zu 30 Knoten. Die Zumwalt-Klasse hat zwei Gasturbinen und zwei Hilfsturbinen und kann so insgesamt 78 Megawatt Leistung erzeugen. Die Hauptturbinen ähneln stark den Turbinen einer Boeing 777. Das integrierte 78 Megawatt-System kann die Leistung zwischen Antrieb und Bordnetz dynamisch verteilen und hat ungefähr 55 bis 60 MW Reserveenergie. Es kann also genügend Energie erzeugt werden, um Kondensatoren, die für den Betrieb einer Railgun erforderlich sind, aufzuladen.
 
Die Zumwalt-Klasse nutzt Konzepte der Tarnkappentechnik von Flugzeugen. Diese sind unter der Bezeichnung "Sealth-" oder "Tarnkappen-Bomber" bekannt. Um den Radarquerschnitt zu senken und die Strahlungssignatur zu reduzieren erhielten diese Zerstörer ein futuristisches Aussehen. Die Bewaffnung der Zumwalt-Klasse mit Marschflugkörpern und zwei 155 mm-Kanonen ist hauptsächlich darauf ausgelegt, Ziele an Land zu bekämpfen.
 
Der komplette Verzicht auf rechtwinklig zum Wasser angeordneten Flächen reduziert den effektiven Radarquerschnitt. Außerdem wurde auf niedrige akustische, magnetische und infrarote Signaturen Wert gelegt (Tarnkappentechnik). Obwohl die Zumwalt größer als gewöhnliche Zerstörer und fast so groß wie ein Schlachtschiff ist, wirkt sie nach Aussage der Navy auf feindlichen Radarschirmen nicht größer als ein Fischerboot.
 

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USS Zumwalt

 
Optisch erinnert mich das Deck der Zumwalt an einen imperialen Sternenzerstörer aus Star Wars. Bezeichnenderweise stach die erste Zumwalt unter dem Kommando von Captain James A. Kirk (der mit Star-Trek-Captain James Tiberius Kirk aus dem 23.-ten Jahrhundert wohl weder verwandt, noch verschwägert ist) im Dezember 2015 zum ersten Mal in See.
Ursprünglich sollten 32 Zumwalt-Zerstörer gebaut werden. Aufgrund der hohen Kosten von 4,4 Milliarden US-Dollar pro Stück, sind es mittlerweile nur noch drei Zerstörer dieser Klasse, die gebaute werden sollen. Der letzte der drei Zerstörer, die USS Johnson, soll 2018 in See stechen.
 
 
Indienststellung der Railgun auf 2018 geplant.
 
Die US Navy verfolgt nun das Ziel, die USS Johnson, also den letzten der drei Zerstörer der Zumwalt-Klasse, vorzeitig mit einer Railgun zu bestücken und will Tests auf hoher See überspringen. Die Railgun soll anstelle eines der zwei 155 mm-Geschütztürme installiert werden. In Frage kommen 32 Megajoule Railguns entweder von BAE-Systems (Britsch Aerospace Electronik Systems, zweitgrößter Rüstungskonzern mit Luft- und Raumfahrttechnik) oder von General Atomics (US-amerikanisches Hochtechnologie-Unternehmen mit Aktivitäten vor allem in den Bereichen Kernenergie und Rüstung).
 

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32 Megajoule Railguns von General Atomics und BAE-Systems

 
Als Grund für den vorzeitigen Einsatz wird angeführt, dass sonstige Testes an Land die Entwicklungsphase der Prototypen verlangsamen. Für Probeschüsse zum Einsatz auf einem Schiff müssten sonst die Techniker Monate damit zubringen, die Waffe im Dock auf- und abzumontieren. Die dadurch gewonnen Zeit können die Entwickler nutzen, um sich auf die Perfektionierung des Systems und der Optimierung auf den Einsatz in der Zumwalt-Klasse zu fokussieren. Nach einigen Berichten wird wahrscheinlich BAE-Systems mit dem entwickelten Pulsstromaggregat zum Zuge kommen, da BAE-Systems in der Lage ist, die Pulsleistung weiter zu entwickeln, ohne dass es zu erheblichen Verzögerungen kommt.
 
Ob diese Argumente stimmen, ist nicht sicher. Die vorgezogene Ausstattung der USS Johnson mit einer Railgun könnte auch unumkehrbare Fakten schaffen, um dieser Waffe den Weg für die Bestückung auf weiteren Schiffen zu ebnen.
Kritische Stimmen äußerten in 2016, dass aus Kostengründen das Pentagon die Mittel für das prestigeträchtige Railgunprojekt wieder einstellen könnte, da die Probleme mit dem hohen Energiebedarf und dem Zerbersten der Schienen noch nicht gelöst seien. Die für die Railgun entwickelte HVP-Munition könne - mit deutlich geringerer Reichweite - aber jedoch deutlich kostengünstiger, auf einem konventionellen 155 mm Geschütz eingesetzt werden.
 
 
Wird es mobile Railguns auf Panzern geben?
 
Im Internet sind selbst gebaute und teils tragbare Railguns von "Bastlern" bis hin zur funktionsfähigen Railgun aus einem 3D-Drucker zu finden. Diese "Demonstrations-Railguns" sind jedoch nicht mit den militärischen Railguns vergleichbar. Auch wenn ich die Leistung der privaten Entwickler nicht schmälern möchte, erinnern mich die Schussproben und die Durchschlagsleistung eher an die Schadenswirkung eines konventionellen Kleinkalibergewehres.
 
Es wird mit Sicherheit weiterhin noch ein paar Jahre dauern, bis eine ausreichende mobile Energiequelle gefunden wird, die einen effektiven Einsatz einer mobilen Railgun auf einem Panzer, mit entsprechender Schadenswirkung, ermöglicht. Dennoch, eine einsatzfähige mobile Version ist schon in greifbare Nähe gerückt!
Bereits in 2015 wurde ein erster funktionsfähiger Prototyp auf einem Panzer gebaut und eingesetzt. Im März 2016 hat General Atomics (GA) erstmals eine auf einem LKW montierte Railgun mit einer Projektilgeschwindigkeit von 9.600 km/h getestet. Der landgestützte mobile Prototyp unter der Bezeichnung "Blitzer" dient der Raketenabwehr, ist vollständig transportabel und hat eine Leistung von 3 Megajoule. Die notwendige Energie liefern Pulspowercontainer, die auf zwei weiteren LKW's transportiert werden. Jeder Behälter packt genug Energie, um 18 KW je Schuss zu entladen, damit 10 Schüsse pro Minute abgefeuert werden können. In einer Computeranimation aus dem Jahr 2014 wird gezeigt, wie mit hoher Präzision und Feuerrate gleichzeitig drei herannahende Raketen und anschließend eine feindliche Rakten-Stellungen durch splitternde Railgun-Projektile zerstört werden.
 

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Mobile Railgun "Blitzer" von GA auf einem LKW-Tieflader

 

 
Zum Schluss
 
In den letzten Jahren wurden in den USA beträchtliche Anstrengungen unternommen, um die Entwicklung der Railgun als umsetzbare Militärtechnologie voranzutreiben. Die Entwicklungskosten der Railgun werden auf mehr als 500 Millionen Dollar veranschlagt.
Neben den enormen technischen Weiterentwicklungen der Railgun, hat mich am meisten die erreichte hohe Feuerrate beeindruckt. Damit rückt auch die Railgun aus dem Spiel immer näher an die Realität.
           
Ich hoffe dieser Artikel hat euer Interesse geweckt und euch den technischen Fortschritt der militärisch genutzten Railgun etwas näher gebracht. Weiterhin wünsche euch viel Spaß mit der virtuellen Railgun in Tanki Online.
 
@I_C.AVE.MAN_I


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von Imagination bearbeitet
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